Nachdem ich das Spiel, das ich für das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung an der Universität Bern im Rahmen der Nacht der Forschung konzipieren durfte, auf mein Portfolio gestellt habe, wird Zeit für ein Postmortem.
Das erklärte Ziel des Spiels war es, im Kopf der Spieler eine Irritation auszulösen und zur Reflexion über die eigenen Stereotypen anzuregen.
Die Spieler erhielten eine Maske auf die Stirn gebunden, mit der Illustration einer Figur. Die Figuren waren bewusst klischeemässig überzeichnet (und grossartig visualisiert von Binan Woll von Koboldgames GmbH). Die Spieler konnten ihre eigene Figur nicht sehen, erhalten aber eine Karte mit der Spielanleitung und dem Beruf ihres Charakters. Ein zweiter Spieler hatte nun die Aufgabe, innerhalb einer Minute den Beruf der Figur anhand ihres Aussehens mit Ja-und-Nein-Fragen zu erraten.
Natürlich waren die Berufe bewusst so gewählt, dass sie den üblichen Klischees gerade nicht entsprachen: Der muskelbepackte Typ mit Sonnenbrille ist Hausmann, die junge aufgetakelte Frau im pinken Minirock ist Informatikerin.
Tatsächlich funktionierte die Kombination wunderbar: so gab es mehrere Spieler, die mehrmals nach Berufen fragten, die zwar dem Klischee der Figur entsprachen, aber direkt in Opposition zu Informationen standen, die sie vorher durch Erfragen schon erfahren hatten.
Andere Spieler merkten schnell, um was es ging, und wandten sich bewusst ab, um die Illustration nicht zu sehen, und sich ganz auf die sachlichen Informationen zu konzentrieren, die sie bisher erhalten hatten.
Das Spiel hat also seinen Zweck wunderbar erfüllt, trotzdem sind mir dabei einige Dinge aufgefallen, die wir während den ersten, internen Tests mit dem Spiel nicht antizipiert hatten.
Was funktioniert hat
- Die Masken, die den Spielern um die Stirn gebunden wurden, erhöhten zwar die Setup-Zeit und haben möglicherweise auch einige Leute davon abgehalten, mitzuspielen. Trotzdem war die Platzierung äusserst gut: indem die Besucher zu zweit spielten, und die Illustrationen direkt über den Augen des Gegenübers platziert waren, konnte die Figur praktisch nicht übersehen werden, und hat dementsprechend die Fragen nach dem Beruf mehr oder weniger bewusst beeinflusst.
- Der Irritiationseffekt war definitiv vorhanden: die übliche Reaktion der Spieler, nachdem sie die Auflösung erfahren haben, war: «Er/Sie ist was? Oh …» – interessanterweise aber zwischendurch auch gefolgt von einem «Moment, ich kenne jemand, der/die sieht auch so aus, und er/sie hat diesen Beruf». Ziel erreicht.
- Nicht zuletzt haben auch die Figuren von Binan Woll extrem gut funktioniert, da sie sehr schnell «gelesen» werden konnten und entsprechend effizient die Spieler auf falsche Fährten locken konnten.
Was nicht funktioniert hat
- Ursprünglich war geplant, die Besucher mehrere Runden spielen zu lassen. In den meisten Fällen reichte aber eine Runde, um den Leuten das Spielprinzip zu erklären und die «Irritation» herbeizuführen.
- Für das Ratespiel ist bloss eine Minute zu Raten zu kurz. Meist haben wir es länger laufen lassen.
- Ebenfalls war geplant, den Raum abzusperren, zu warten, bis sechs Personen davor warten, diese dann reinzulassen, mit ihnen das Spiel zu spielen, sie untereinander wechseln zu lassen, die Idee dahinter zu erklären und danach die nächsten sechs hereinzulassen. Das wurde sehr schnell fallen gelassen – Besucher möchten nicht warten.
- Die Spiele müssen schnell funktionieren. Die Leute wollen durch die ganze Ausstellung, wenn es zu lange dauert, verlieren sie die Geduld (sie könnten ja sonst etwas verpassen).
- Die Besucher lesen wenig (oder können möglicherweise wegen fehlender Brille nicht gut lesen). Die Spiele müssen deshalb sehr schnell mündlich erklärt werden können.
- Die Spieler möchten ein Erfolgserlebnis haben, d. h. die Möglichkeit, das Spiel zu gewinnen. Das Stereotypen-Spiel war dem gegenüber darauf ausgelegt, dass man es nicht gewinnen können sollte, um den Irritationseffekt hervorzurufen und einen Denkprozess in Gang zu setzen. Es gab also – zusammen mit der Tatsache, dass wir die Zeitlimite von einer Minute nicht forcierten – kein klar ersichtliches Ende, weshalb das Spiel um so mehr von einer Betreuungsperson betreut werden musste, um die das Spiel aufzufangen, an einer geeigneten Stelle abzubrechen, die Auflösung einzuführen und den dahinterliegenden Gedanken zu erklären.
Die meisten dieser Dinge konnten während der Ausstellung direkt aufgefangen werden, da das Konzept an sich offen genug war, um spontane Änderungen zu erlauben.
Take Aways für zukünftige Spiele für Ausstellungen
- Das Spiel muss ohne vorherige Wartezeit gespielt werden können.
- Es muss schnell erklärt werden können.
- Es muss innerhalb weniger Minuten durchgespielt sein.
- Es muss ein klar definiertes Ende haben, bei dem klar ist, ob man gewonnen (oder verloren) hat.
- Leute spielen meistens am liebsten mit- und gegeneinander mit den Personen, mit denen sie an die Ausstellung gekommen sind.
Alles in allem war es ein sehr interessantes Projekt – und ich freue mich darauf, die Erkenntnisse in einem nächsten Projekt zur Anwendung zu bringen.